Dezentrale Peripheriegeräte unterstützen die Betreiber prozesstechnischer Anlagen seit vielen Jahren bei der Umsetzung effizienter Steuerungskonzepte und flexibler Systemaufbauten. Dabei sind IO-Systeme häufig auch außerhalb von Schaltschränken zu finden. In hygienegerechten Produktionen wie in der Lebensmittelindustrie oder bei der Herstellung biologischer Wirkstoffe wird dies zu einer besonderen Herausforderung, da die in diesem Umfeld eingesetzten Peripheriegeräte nach den Richtlinien des Hygienic Design konstruiert werden müssen. Was für die Gerätehersteller mehr Aufwand bedeutet, bringt für die Anwender viele Vorteile, wie im Folgenden gezeigt wird.
Gleich mehrere Vorteile sprechen in Automatisierungsanwendungen dafür, dezentrale Peripherie für Signale von prozessnahen Komponenten auch außerhalb des Schaltschranks zu platzieren: Erstens reduziert die dezentrale Installation die Kabellängen erheblich, was zu weniger Spannungsverlusten und geringeren Installationskosten führt. Zweitens ermöglicht diese Struktur eine höhere Flexibilität in der Anlagenplanung und -erweiterung, da neue Komponenten einfach in die bestehende dezentrale Infrastruktur integriert werden können. Drittens verbessert die Nähe der Peripherie zu den Sensoren und Aktoren die Signalqualität und minimiert Verzögerungen, was besonders in Echtzeitanwendungen von Vorteil ist. Nicht zuletzt profitieren Anlagenbetreiber von optimierter Wartungsfreundlichkeit, da die Komponenten direkt an der Maschine bzw. im Feld zugänglich sind und Fehler oft schneller lokalisiert und behoben werden können.
In einigen Bereichen der Prozessindustrie wie der Lebensmittel- und Getränkeherstellung, der Pharmaindustrie sowie der Kosmetikproduktion gelten aber gerade im prozessnahen Umfeld sehr strenge Auflagen. Hier ist es essenziell, das Ansammeln von Mikroorganismen zu unterbinden und eine Kontamination der Produkte durch Keime, Mikroben oder giftige Stoffwechselprodukte bestimmter Bakterien oder Pilze zu verhindern. Um dies sicherzustellen, werden diverse Maßnahmen ergriffen, die sowohl die Anlagenarchitektur als auch die verwendeten Materialien betreffen.

Bild links: IP69K Gerät ohne hygienisches Design Bild rechts: Hygienisch-Lösung mit Simatic ET 200clean in IP69K
Das Beste aus beiden Welten
Die perfekte Symbiose aus prozessnaher Signalsammlung und hygienischem Design bietet das dezentrale Peripheriesystem Simatic ET 200clean von Siemens. Das Gerät aus der bewährten Simatic ET 200-Produktfamilie ist von Grund auf für den Einsatz in Prozessbereichen konstruiert worden, in denen die Reinigungsfähigkeit zum entscheidenden Faktor wird. Doch was bedeutet das?
Hygienegerechtes Reinigen ist in Industrien wie der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikherstellung von entscheidender Bedeutung, um Kontaminationen zu vermeiden und die Produktsicherheit zu gewährleisten. Diverse Reinigungsverfahren kommen dabei zum Einsatz, darunter CIP (Cleaning in Place), COP (Cleaning out of Place), SIP (Sterilization in Place) und SOP (Sterilization out of Place). [1]
Die Anforderungen an die Reinigung sind vielfältig und hängen von der Art der möglichen Verunreinigung sowie den spezifischen Gegebenheiten der Produktionsanlage ab. Faktoren wie die Einwirkzeit, die Temperatur und die Konzentration des Reinigungsmittels spielen eine zentrale Rolle für der Wirksamkeit der Reinigungsprozesse. Entscheidend ist zudem, dass die Oberflächen der Anlagen(teile) resistent gegen aggressive Reinigungsmittel und hohe Temperaturen sind, um Schäden und Oberflächenveränderungen zu vermeiden. Speziell in schwer zugänglichen Bereichen können sich Biofilme [2] bilden, die nur mit großem Aufwand zu entfernen sind. Ein gründliches, wiederholbares und validierbares Reinigungskonzept ist daher unerlässlich.
Wie Hygienic Design höchste Reinigungsstandards sichert
Die Reinigungskonzepte sind dabei nur ein Baustein für die geforderte sichere Produktion in hygienesensiblen Bereichen, ein weiterer ist das Gerätedesign als solches: Eine Prozesskomponente, wie beispielsweise ein IO-System, muss so konstruiert sein, dass sie den höchsten Hygienestandards [3] entspricht.
Damit die Gefahr einer Kontamination auf ein Minimum reduziert wird, sind glatte, porenfreie Oberflächen ohne Spalten oder Vertiefungen, in denen sich Verunreinigungen ansammeln könnten, eine der wichtigsten Anforderungen an das hygienische Gerätedesign. Schraubverbindungen müssen vermieden oder vollständig abgedeckt werden, um Toträume zu verhindern. Ecken und Kanten sollten einen Mindestradius von 3 mm aufweisen, um das Ansammeln von Mikroorganismen zu verhindern. Sämtliche eingesetzten Materialien müssen korrosionsbeständig und chemisch inert sein, wie beispielsweise Edelstahl der Klasse A2 oder A4 sowie bestimmte Kunststoffe.
Neben der 360°-Hygienereinigbarkeit und der Schutzklasse IP69K (staubdicht, Schutz gegen Eindringen von Wasser bei Hochdruck-/Dampfstrahlreinigung und gegen hohe Temperaturen wie durch Heißwasser) wurde eine optimale Formgebung mit abgeschrägten und abgerundeten Kanten entsprechend nach EHEDG-Richtlinien umgesetzt.
Diese Gehäuseform hätte bei der Verwendung von Edelstahl in der Fertigung einen hohen Kosten- und Energieaufwand bedeutet. Das Ergebnis ist eine langlebige, robuste Konstruktion ohne Verguss, aber mit laserverschweißten Gehäuseteilen. Diese Bauweise bietet viele Vorteile im Sinne der Nachhaltigkeit. Das geringe Eigengewicht reduziert Transportemissionen. Die Verwendung von ID Link zur eindeutigen Identifikation und der direkte Zugriff auf die Online-Dokumentation vermeiden unnötige Papierausdrucke.
Die Umweltproduktdeklaration (EPD) informiert über die Umweltauswirkungen des IO-Systems über den gesamten Lebenszyklus. Sie deckt wesentliche Umweltfaktoren wie Ressourceneinsatz, Energieverbrauch, Emissionen und Abfallaufkommen in der Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungsphase ab.

Simatic ET 200clean
Ebenso überzeugend: die inneren Werte
Das IO-System Simatic ET 200clean bietet durch seine MultiFeldbus-Funktionalität höchste Flexibilität bei der Anbindung. Es ermöglicht die Integration in unterschiedliche Feldbusinstallationen über PROFINET, Ethernet/IP, Modbus TCP und damit eine einheitliche Peripherie unabhängig von der verwendeten Anlagenarchitektur. Hervorzuheben ist der taktsynchrone Betrieb, der eine konsistente und zuverlässige IO-Datenübertragung gewährleistet, was für den Anwender von großer Bedeutung ist, da es ein deterministisches Verhalten und optimierte Reaktionszeiten im Prozess ermöglicht.
Die Überwachung der Versorgungs- und Lastspannungen (1L+, 2L+) sorgen für hohe Zuverlässigkeit und präzise Diagnosemöglichkeiten. Die kanalweise Überwachung auf Geberversorgung, Drahtbruch, Kurzschluss sowie Unter- und Überspannung ermöglicht das frühzeitige Erkennen und gezielte Beheben von Fehlern. Die M12-Steckverbinder erlauben zudem den einfachen Anschluss von Sensoren und Aktoren; Verdrahtungsaufwand und Komplexität werden minimiert. Dank der robusten Diagnose- und Überwachungsfunktionen kann eine schnelle und zielgerichtete Lokalisierung von Fehlern erfolgen.
Zusätzliche Ausfallsicherheit bieten die Redundanzfunktionen der Simatic ET 200clean. Mit MRP- und S2-Redundanz können Produktionsprozesse auch bei Leitungsunterbrechungen oder CPU-Ausfällen unterbrechungsfrei weiterlaufen. Flexible Automatisierungskonzepte lassen sich ebenfalls umsetzen: Mit Shared Device können Module einer Station auf zwei Controller aufgeteilt werden, mit MSI und MSO (Modulinternes Shared Input/Output) stehen Ein- und Ausgangsdaten unterschiedlichen Steuerungen zur Verfügung.
ET 200clean als eine leicht zu reinigende dezentrale Peripherielösung für hygienische Umgebungen vereinfacht die prozessnahe Signalanbindung von Sensoren und Aktoren, reduziert Kosten und bietet eine nahtlose Integration in unterschiedliche Steuerungssysteme – ohne zusätzlichen Engineering-Aufwand. Mit ihrer 360°-Reinigbarkeit erfüllt das IO-System zuverlässig alle Anforderungen des Hygienic Designs. Gleichzeitig wurde es streng nach den Gesichtspunkten der nachhaltigen Entwicklung konzipiert.
Quellenangaben:
[1] CIP und SIP erlauben die Reinigung und Sterilisation ohne Demontage der Anlagen, was Zeit spart und den Aufwand minimiert. COP und SOP hingegen erfordern die Demontage der Komponenten, um eine gründliche Reinigung und Desinfektion zu ermöglichen.
[2] Diese Schleimschichten bestehen aus von Bakterien gebildeten extrazellulären polymeren Substanzen (extracellular polymeric substances – EPS) und beherbergen eine Vielzahl von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Protozoen und sogar mehrzellige Organismen. Biofilme zeichnen sich durch eine extrem hohe Adhäsion und Stabilität aus. Sie schützen die enthaltenen Mikroorganismen vor äußeren Einflüssen wie mechanischer Reinigung, chemischen Desinfektionsmitteln und sogar UV- und Röntgenstrahlung.
[3] Zu den maßgeblichen Richtlinien für das hygienische Design gehören die EN 1672-2 und die ISO 14159. Darüber hinaus stellt die European Hygienic Engineering & Design Group (EHEDG) umfassende Leitlinien bereit, die die hygienische Gestaltung und Reinigung von Anlagenkomponenten regeln. Diese Richtlinien umfassen Materialanforderungen, Gestaltungsprinzipien und Reinigungsverfahren.
Autorin: Dorina Goebel, Marketing Managerin, Siemens AG
Text- und Bildquelle: Siemens, Getty Images