Roboter sind längst nicht mehr nur in den Smart Factories großer Konzerne zu finden. Auch mittelständische und kleine Unternehmen entdecken zunehmend ihre Vorteile. Doch mit welchen Fragen beschäftigen sich Unternehmer, wenn es um Robotik geht? Wo liegen Hemmnisse, welche Lösungen bieten sich an und warum kommen wir in Zukunft nicht um sie herum? Wir sprechen mit Helmut Schmid, Experte im Bereich Robotik, über Ängste, Lösungen und zukünftige Trends.
Nicole Steinicke: Herr Schmidt, der Mittelstand steht in der jetzigen Zeit vor vielen Herausforderungen. Welche Sorgen belasten die Unternehmer besonders?
Helmut Schmid: Unternehmer im Mittelstand sehen sich zunehmend mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Nach Angaben des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) könnten Unternehmen im laufenden Jahr mit einer ausreichenden Zahl von Fachkräften bei Vollauslastung 49 Milliarden Euro mehr erwirtschaften, wenn die 570.000 offenen Stellen besetzt werden könnten. Das verloren gegangene Produktionspotenzial wird sich bis 2027 bereits auf 74 Milliarden Euro verschärfen. Die Automatisierung durch Robotik kann hier, neben einer verbesserten Integrationspolitik und Fort- und Weiterbildung bereits in den Schulen, Abhilfe schaffen.
Nicole Steinicke: Vielen scheuen sich vor den Investitionen und sind unsicher, ob sich die Ausgaben für Automatisierungstechnik und Robotik lohnen?
Helmut Schmid: Die Anschaffungskosten für Roboter- und Automatisierungstechnik können hoch sein, daher ist die Wahl der Anwendung und des ersten Einsatzgebietes sehr wichtig. Wo habe ich Qualitätsprobleme und eine hohe Fehlerquote? Wo herrschen monotone, gefährliche oder Arbeitsplatz unökonomische Bedingungen? Wo spielen Geschwindigkeit und Ge eine Rolle? Auf all diese Fragen bietet die Robotik die richtige Antwort, wenn man zu Beginn und beim Einstieg in dieses Feld den Fokus auf einfache und überschaubare Anwendungen legt. Bei der richtigen Auswahl einer möglichen Umstellung auf Roboter, werden zum Start leider oft die größten Fehler gemacht. Einfachheit geht vor Komplexität! Wenn man dies berücksichtigt, können Unternehmen einen attraktiven Return on Investment (ROI) von unter zwei Jahren durch mehr Effizienz, die Reduzierung von Ausschuss und den Einsatz neuer Technologien erzielen. Aber auch neue Geschäftsmodelle wie Leasen, Mieten oder gar Robot-as-a-Service (RaaS) helfen bei der Finanzierung und Kalkulation von Robotik Lösungen.
Nicole Steinicke: Bei all den Vorteilen, die die Robotik mit sich bringt, lassen sich Bedenken nicht einfach beiseite schieben. Können Sie diese Ängste konkreter fassen? Und lassen sie sich nicht in Chancen umwandeln?
Helmut Schmid: Ein weit verbreitetes Vorurteil gegenüber der Robotik ist der vermeintliche Verlust von Arbeitsplätzen. Viele Mitarbeiter befürchten, durch Roboter ersetzt zu werden. Jedoch zeigen Studien, dass die Einführung von Robotern oft zu einer Veränderung der Aufgabenbereiche führt, anstatt zu Arbeitsplatzverlusten. Zielsetzung sollte sein, dass Roboter monotone Tätigkeiten übernehmen, während menschliche Arbeitskräfte sich komplexeren Aufgaben widmen können. Der Erfolg einer reibungslosen Einführung hängt daher auch von der Einbeziehung der Mitarbeiter vor Beginn des Projektes ab, um genau diese Ängste zu nehmen. Zudem werden uns in Deutschland bis 2030 aufgrund des demografischen Wandels 4-6 Millionen Fachkräfte fehlen, die dieses Argument ab adsurdum führt. Weitere Sorge ist das häufig nicht vorhandene Robotikwissen. Viele Unternehmer fürchten, dass sie nicht über das notwendige Wissen verfügen, um Roboter erfolgreich zu implementieren. Aber genau hier liegt die größte Veränderung in der Robotik der letzten Jahre. Viele Roboterhersteller sowie Startups aus diesem Umfeld haben erkannt, dass eine einfache Bedienung und Inbetriebnahme durch den Anwender zukünftig gegeben sein muss, um diese Einstiegshürde zu nehmen. Daher sind No-Code & Low-Code Anwendungen auf dem Vormarsch, damit keine Robotik- und Programmierkenntnisse mehr benötigt werden. Dies gilt insbesondere bei einfachen und schnell umzusetzenden Anwendungen, wie bereits beschrieben.
Nicole Steinicke: Welche Lösungen und Ansätze können helfen, mittelständische Unternehmen in sichere Gefilde zu manövrieren?
Helmut Schmid: Cobots bieten eine flexible und kosteneffiziente Lösung für mittelständische Unternehmen. Sie können einfach programmiert und schnell in bestehende Produktionslinien integriert werden und arbeiten als kollaborative Roboter Hand in Hand mit menschlichen
Kollegen. Sie steigern so die Effizienz und entlasten die betroffenen Mitarbeiter. Eine Vielzahl von Herstellern bieten hier hervorragende Lösungen. Es muss aber nicht immer nur ein Cobot sein. Je nach Anwendung entwickeln immer mehr Hersteller als auch Integratoren fertige
Applikationszellen für das Schweißen, Palettieren, Maschinenbestücken und viele weitere Standardanwendungen, die mehr oder weniger Plug & Play ready für den Einsatz vor Ort sind. Daher ist die Auswahl des zu automatisierenden Prozesses so wichtig, um dann den richtigen
Roboter und Partner wählen zu können. Auch die mobile autonome Robotik zeigt beeindruckende Ergebnisse, beispielsweise in Logistikzentren aber auch in Industriebetrieben.
Nicole Steinicke: Sind also die Bedenken ausgeräumt und die Anschaffung in Robotik und Automation erfolgt, geht es um die Inbetriebnahme und um Sicherheitsaspekte. Worauf kommt es hierbei an und wer kann bei Fragen unterstützen?
Helmut Schmid: Bei der Inbetriebnahme von Robotern sind einige wichtige Punkte zu beachten. Eine sorgfältige Planung und eine klare Definition der Aufgaben sind unerlässlich. Darüber hinaus ist die Schulung der Mitarbeiter entscheidend, um eine reibungslose Integration zu
gewährleisten. Ebenso die erwähnte Einbindung der Mitarbeiter vor Start des Projektes. Auch eine enge Zusammenarbeit mit erfahrenen Integratoren stellen den Erfolg der Robotik-Projekte sicher. Weiteres Thema ist die Sicherheit, die bei der Implementierung von Robotern an erster Stelle steht. Cobots sind so konzipiert, dass sie bei Kontakt mit einem Menschen sofort stoppen, um Verletzungen zu vermeiden, wohingegen für Industrieroboter Sicherheitszäune und Lichtschranken notwendig sind. Eine CE-Zertifizierung, Risikoanalyse und das Beachten der Normen sind hier essenziell. Der Deutsche Robotik Verband mit seinen Sicherheitsspezialisten, der TÜV oder auch die Berufsgenossenschaften können hier unterstützen und informieren.
Nicole Steinicke: Wir leben in einer sehr dynamischen Welt. Was denken Sie, wie wird sich die Robotik in Zukunft weiterentwickeln?
Helmut Schmid: Die Robotik wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Das kürzlich gegründete Robotik Institute Germany spielt dabei eine wichtige Rolle. Ziel des Instituts ist es, den Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis zu fördern und Unternehmen bei der Implementierung von Robotik-Lösungen zu unterstützen. Mit der zunehmenden Vernetzung und den Fortschritten in der künstlichen Intelligenz wird die Robotik noch vielseitiger und zugänglicher werden. Aber auch neue Technologien wie der humanoide Roboter, Drohnen und KI gestützte Programmierung durch Sprache oder Gestensteuerung werden den Einsatz in der Industrie weiter vorantreiben. Die neuen Anwendungsfelder wie die Agrarrobotik, die Robotik auf dem Bau, im Militär und auch das enorme Potenzial in der Servicerobotik sind hier noch gar nicht wirklich berücksichtigt worden. Robotik bietet in vielerlei Hinsicht enorme Chancen, um den Herausforderungen von Fachkräftemangel und steigenden Kosten zu begegnen. Richtig geplant, geschult und können Vorurteile abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden.
Bilder: Prträt HS Auxsilium, Statement Vereinigte Fachverlage